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„Die Freiheit des Menschen ist bedingt durch die Anerkennung seiner Verschiedenheit“

Zur Lebensgeschichte des Schweizer Anarchisten Heiner Koechlin (1918-1996)
Von: Siegbert Wolf – Gai Dào Februar 2014

Endlich ist die Biograpie des Basler Libertären und Antiquars Heinrich Eduard (genannt „Heiner“) Koechlin erschienen. Die mit zahlreichen Fotografien ausgestattete zweibändige Ausgabe – Band 1: Porträt, Band 2: Ausgewählte Schriften – leuchtet die zahlreichen Facetten seines Lebens aus und ermöglicht, auf der Grundlage seiner umfangreichen Lebenserinnerungen, einen genauen Einblick in das öffentlichen Wirken eines der bedeutendsten Schweizer Anarchist*innen. Der Autor vorliegender Zeilen hatte selber Gelegenheit, Heiner Koechlin 1986 im Rahmen einer Tagung der Evangelischen Akademie Arnoldshain in der Nähe von Frankfurt am Main über „Anarchismus. Theorie – Kritik – Utopie“, als er über „Anarchismus und Christentum“ sprach, kennenzulernen – ein bescheidener und zugleich imposanter libertärer „Querdenker“, dessen analytischer Scharfsinn mich nachhaltig beeindruckte.

Am 21. Januar 1918 in Basel geboren und aufgewachsen in einer sozialdemokratischen Familie, fand der Arztsohn – ebenso wie sein jüngerer Bruder Felix (1920-1999) – Anschluss an die sozialistische Jugendbewegung: „Damit erschloss sich für mich eine neue Welt politischer Aktivitäten, die meinem Ideal sozialer Gleichheit entsprach.“ Bis an sein Lebensende blieb Heiner Koechlin der libertären Linken eng verbunden. Ab Ende der 1930er Jahre, als die stalinistischen ,Säuberungenʼ in der Sowjetunion bekannt wurden, gehörte er zu den frühen, lautstarken Kritiker*innen des autoritären Kommunismus. Zugleich enttäuschte ihn der ,Pragmatismusʼ der Sozialdemokratie zutiefst. Seine Sympathien galten stattdessen den anarchistischen Kollektivierungen während des Spanischen Bürgerkrieges – für ihn ein Beispiel gelebter Anarchie. Annähernd fünfzig Jahre später veröffentlichte er seine noch heute lesenswerte Studie „Die Tragödie der Freiheit. Spanien 1936-1937. Die Spanische Revolution. Ideen und Ereignisse“. In den 1930er Jahren begann seine inhaltlich-theoretische Auseinandersetzung mit dem Anarchismus. Begeistert las er Schriften Michael Bakunins, Gustav Landauers, Fritz Brupbachers und vor allem die Lebenserinnerungen Peter Kropotkins: „Dieses menschliche Wärme ausstrahlende Buch machte mich zum Anarchisten.“ Bedeutsam für Heiner Koechlins libertäre Überzeugung war nicht zuletzt der enge Kontakt zu den italienischen Anarchisten Ferdinando Balboni (1893-1986), Inhaber einer Bäckerei in Basel, und dem Typografen Luigi Bertoni (1872-1947) aus Genf, Protagonist des Schweizer Anarchismus in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Mit dem spanischen Anarchisten Antonio García Birlán (1891-1984), Mitglied der FAI und der CNT, verband ihn ebenfalls eine langjährige Freundschaft.

Während des Zweiten Weltkriegs leistete Heiner Koechlin von Basel aus konkrete Hilfe für die vor den Nationalsozialist*innen in die Schweiz geflüchteten Emigrant*innen. Vor allem empörte ihn die restriktive eidgenössische Aufnahmepraxis von Flüchtlingen: „Das ,rote Baselʼ mag in Einzelfällen humaner gehandelt haben als Bern und andere Kantone. Im Ganzen gesehen aber fällt dieser Unterschied wenig ins Gewicht. Einzelne Persönlichkeiten haben sich für die Flüchtlinge eingesetzt. Behörden, Organisation und Kirchen im Rückblick nachhaltig beschämte, betraf das seiner Meinung nach unzureichende eigene Engagement „gegen die Rückweisungen von Juden an der Schweizer Grenze.“

Ab 1944 gab Heiner Koechlin illegal politische Flugblätter und Pamphlete gegen den Krieg und den vorherrschenden eidgenössischen Patriotismus heraus, die im Rahmen der von ihm mitinitiierten Basler „Arbeitsgemeinschaft Freiheitlicher Sozialisten“ verteilt wurden. Dazu gehörte auch die Flugschrift „Die kommende Revolution“ – ein Aufruf zur grundlegenden Veränderung der Gesellschaft von unten
nach oben. Seit Anfang 1947 veröffentlichte er, gemeinsam mit seinem Bruder Felix, die Zeitschrift „Der Freiheitliche Sozialist“, die bis 1949 mit insgesamt zehn Ausgaben erschien.

Nach dem Zweiten Weltkrieg organisierte Heiner Koechlin Vorträge u.a mit Augustin Souchy (1892-1984) sowie Erste Mai-Ansprachen in Basel mit der prominenten spanischen Anarchistin Federica Montseny (1905-1994), dem französischen Anarchosyndikalisten Gaston Leval (1895-1978) und dem spanischen Anarchisten und Historiker José Peirats (1908-1989). Vor allem aber verband ihn mit dem befreundeten jüdisch-anarchistischen Emigranten Isak Aufseher (1905-1977), ehemaliges Mitglied der „Deutschen Anarcho-Syndikalisten“ (DAS), eine langjährige enge politische und berufliche Zusammenarbeit.

1950 schloss Heiner Koechling sein Geschichtsstudium mit einer u.a. von Hannah Arendt (1906-1975) rezipierten Studie über „Die Pariser Commune im Bewusstsein ihrer Anhänger“ an der Universität Basel, wo er auch Vorlesungen des dort lehrenden Philosophen Karl Jaspers (1883-1969) besucht hatte, ab. Ein Jahr später, im Herbst 1951, eröffnete er gemeinsam mit Isak Aufseher in seiner Geburtsstadt ein florierendes Antiquariat . Zugleich engagierte er sich viele Jahre lang für den genossenschaftlichen Wohnungsbau und begründete drei Wohngenossenschaftssiedlungen. Außerdem führte er seine während des Zweiten Weltkriegs begonnene Flüchtlingssolidarität für spanische Migrant*innen fort. Damals beschäftigte er sich intensiv mit den Schriften des libertären Schriftstellers Albert Camus, vor allem mit dessen philosophischer Essaysammlung „L’Homme Revolté“ („Der Mensch in der Revolte“).

Die „Neue Linke“ ab 1968 begrüßte Heiner Koechlin zunächst erwartungsvoll. Allerdings forderte sie rasch seinen lautstarken Widerspruch heraus, als er dort dogmatische und freiheitsfeindliche Tendenzen beobachtete. Seine Antwort darauf war die von 1974 bis 1981 herausgegebene libertäre Zeitschrift „Akratie“, in der er in insgesamt 15 Ausgaben scharfsinnig linkes, auch anarchistisches Denken, reflektierte und gegen den Strich bürstete. Anschließend publizierte er in „Die Freie Gesellschaft. Vierteljahresschrift für Gesellschaftskritik und freiheitlichen Sozialismus“ (Neue Folge, 1981-1986) und veröffentlichte von 1982 bis 1990 insgesamt vier Ausgaben der Schriftenreihe „Sisyphos“. Neben seinen zahlreichen Reisen – u.a. nach Israel und Lateinamerika -, engagierte er sich für den israelisch-palästinensischen Dialog und die Menschenrechte im diktatorischen Kuba. Zu Beginn der 1990er Jahre zog er sich völlig aus dem Antiquariatsgeschäfts zurück und widmete sich nun ganz dem Schreiben: „Der rote Faden in Koechlins Schaffen ist sein Nachdenken über Freiheit, Gerechtigkeit und Wahrheit. Mit seiner unbequemen und hinterfragenden Haltung fiel er, der in der Zeit der großen Ideologien […] gelebt hatte, zwischen Stuhl und Bank.“ Trotz zahlreicher Enttäuschungen und Ernüchterungen blieb Heiner Koechlin lebenslang Anarchist: „Fragt man mich heute“, vertraute er seinen Lebenserinnerungen an, „ob ich noch Anarchist sei, was häufig vorkommt, so fällt mir die Antwort nicht leicht. Sie kann nur ,Neinʼ und ,Jaʼ lauten. So lange Menschen Menschen sind, können wir auf einen Rechtsschutz, auch einen gewaltsamen, nicht verzichten. Doch liegt in diesem Schutz selbst wiederum eine tödliche Gefahr für das Recht, das er schützen soll. Ich bin darum nach wie vor Anarchist, indem ich kein Gesetz anerkenne, und wäre es von einer Volksmehrheit beschlossen, das meinem moralischen Empfinden widerspricht.“

Heiner Koechlin verstarb am 7. Mai 1996 im Alter von 78 Jahren in seiner Geburtsstadt.

Franziska Schürch/Isabel Koellreuter: Heiner Koechlin 1918-1996. Porträt eines Basler Anarchisten. Basel 2013: Friedrich Reinhardt Verlag. 2 Bände, Hardcover in Schuber, 491 S., 40.- €, 48.- CHF.

Posted in Anarchismus, Heiner Koechlin.


Jugendrevolten

Artikel von Heiner Koechlin aus der Akratie Nr. 15 – Sommer 1981.

An den Jugendrevolten unserer Tage wird viel herumgerätselt. Warum nehmen sie ausgerechnet in den Ländern ihren Ausgang, welche die kleinsten Arbeitslosenzahlen und die höchsten Löhne aufweisen?

Die Versuche extremistischer politischer Gruppierungen marxistischer oder anarchistischer Färbung, diese Bewegung auf ihre ideologischen Mühlen zu lenken und politisch in den Griff zu bekommen, sind ebenso vergeblich wie die Versuche der Fanatiker der Ordnung, sie mittels Tränengas und Gummigeschossen zu erledigen. Jahrzehntelang Aufgestautes tobt sich aus bei ordnungsfanatischen Kleinbürgern nicht weniger als bei ordnungshassenden Jugendlichen. Wohlmeinende Pfarrer, aufgeschlossene Psychologen und besorgte Eltern sehen sich einem bedenkenlosen Radikalismus gegenüber, der ihre wohlmeinende Absichten verachtet.

Nebenher spielen Forderungen eine Rolle, die auch von anderen Bewegungen erhoben werden: Opposition gegen Militarismus, gegen Atomkraftwerke, gegen Zerstörung von billigen Wohnungen u.a. Das eigentliche, zentrale Anliegen dieser Jugendlichen ist mit diesen Forderungen nicht erschöpft.

Charakteristisch ist, dass sich diese Bewegung ausdrücklich und ausschliesslich als Jugendbewegung versteht. Andere rebellische und revolutionäre Bewegungen, wie die “Neue Linke” der 60er Jahre, verfolgten, auch wenn sie zu 90% aus Jugendlichen bestanden, Ziele, die sich auf alle Lebensalter erstreckten. Die heutigen pochen auf ihre Jugend und schränken ihre Forderungen auf wirkliche oder vermeintliche Interessen ihres Lebensalters ein. Sie gleichen darin den Feministinnen, die ihre Aktivitäten auf wirkliche oder vermeintliche Interessen ihres Geschlechts einschränken. Mit dieser Ausschliesslichkeit schneiden sie sich viele Möglichkeiten von vorneherein ab.

Ein anderes Charakteristikum ist die Kulturfeindlichkeit dieser Bewegung. Unter den Anarchisten von gestern gab es solche, die mit Gewalt Regierungspaläste oder Banken angriffen. Kultur aber war für alle ein Tabu. Zerstörung von Kunstwerken, Störung von Theatervorstellungen u.a. wäre undenkbar gewesen. Die Jugendrevolte in Zürich dagegen wurde mit einem Angriff auf das Opernhaus ausgelöst.

Der grösste Prozentsatz der Revoltierenden stammt aus bürgerlichen Familien. Ihre Aktion richtet sich gegen bürgerliche Lebensform und Lebensweise. Doch wird dies nicht im Sinne der überlieferten Klassenkampftheorie verstanden. Weit weg sind diese Jugendlichen von der Vorstellung, ein Proletariat werde das Bürgertum entmachten und in der Herrschaft ablösen. Ihre zur Schau getragene Antibürgerlichkeit erregt Anstoss nicht zuletzt bei einer Arbeiterschaft, die in Folge ihrer wirtschaftlichen Besserstellung bürgerliche Lebensformen und -anschauungen angenommen hat.

Von Sozialismus ist wenig die Rede. Diese einst schöne Ideal setzt sich, nachdem es in verschiedenen Formen zu unschöner oder unbefriedigender Wirklichkeit geworden ist, dem Verdachte aus, seine Realisierung müsse zu einer neuen bürgerlichen Klasse oder aber einer klassenlosen bürgerlichen Gesellschaft führen.

Dieser Antibürgerlichkeit ist ein fast metaphysischer, absoluter Charakterzug eigen, der sich mit keiner Idee von einer neuen Wirtschaftsordnung begnügt. Bürgerliche Lebensauffassung und Lebensweise ist der Inbegriff eines unechten, geistlosen Materialismus. Doch lebt diese Revolte bis heute fast ausschliesslich von der Negation, und nach tragenden positiven Ideen sucht man vergeblich.

Schon im Jahre 1931 schrieb Karl Jaspers folgenden Worte: “… wenn aber ausschliesslich nichts mehr in der wirklich mich umgebenden Welt von mir hervorgebracht, geformt, überliefert würde, sondern alles nur als augenblickliche Bedürfnisbefriedigung hinzunehmen wäre, nur verbraucht und ausgewechselt würde, das Wohnen selber sich maschinell gestaltet, kein Geist der eigenen Umwelt mehr bliebe, die Arbeit nur als Leistung für den Tag gälte und sich nichts aufbaute zu einem Leben, so würde der Mensch gleichsam weltlos. Losgelöst von seinem Grunde, ohne bewusste Geschichte, ohne Kontinuität seines Daseins kann der Mensch nicht Mensch bleiben. Die universale Daseinsordnung höbe das Dasein des wirklichen Menschen, der er selbst in seiner Welt ist, zu einer blossen Funktion auf.

Jedoch geht der Mensch als einzelner nie ganz in eine Daseinsordnung ein, welche ihm sein Sein nur als Funktion für den Bestand des ganzen liesse. Zwar kann er im Apparat durch tausend Beziehungen, in denen er abhängig ist und mitwirkt, leben. Da er aber dort in seiner Vertretbarkeit ebenso gleichgültig ist, als ob er nicht wäre, revoltiert er, wenn er in keinem Sinn mehr er selbst sein kann … ” (Karl Jaspers: Die geistige Situation der Zeit.)

In dieser Richtung, so scheint mir, müssen Jugendrevolten von heute interpretiert werden.

Als Jaspers diese Sätze schrieb, war das Problem noch fast unsichtbar, überdeckt von Wirtschaftskrise, materiellem Massenelend und auf diese Dinge bezogene ideologische Auseinandersetzungen. Es tritt erst heute voll ans Tageslicht und deutlich nur in Ländern, die keine brennenden wirtschaftlichen und politischen Notlagen kennen.

“Versorgungsgesellschaft” nannte der Philosoph jene hochtechnisierten Apparat, den für “augenblickliche Bedürfnisbefriedigung” zu sorgen hat. Der Preis, den der Mensch für diese bezahlt, ist seine Reduktion auf eine Funktion im Inneren des Apparates.

Das Gleichheitsideal der Demokratie und es Sozialismus, das Menschenrecht und die Menschenwürde für all beinhaltet, wird verfälscht im Sinne einer geistigen Nivellierung, die in ihrer Konsequenz alle ihres Menschseins beraubt. Zum Menschsein gehört Eigenheit, eigene Umwelt, schöpferische Tätigkeit. Diese Dinge liegen so sehr in der Natur des Menschen, dass sie ihm nie ganz genommen werden können. Doch können sie auf ein Minimum reduziert werden.

Nicht nur materiell, sondern auch geistig versorgt der menschenfeindliche Apparat die Menschen. Kapitalistische und kommunistische Regierungen wissen, dass man mit Analphabeten keine Arbeitsdisziplin erzielen und keine Fabriken in Gang halten kann.

Gross ist der Aufwand an Wissenschaft, insbesondere “psychologischer”, mit deren Hilfe die Menschheit in das Prokrustesbett allgemeiner Mittelmässigkeit gezwängt werden soll. Die fortschreitende Entpersonalisierung hat zur Folge, dass philosophisches Denken, literarischer und künstlerischer Ausdruck einen Tiefpunkt erreicht haben. Als Ersatz wird ein Kulturbetrieb geboten, gegen den sich diese Jugend empört, wobei sie ähnlich den Bilderstürmern der Reformationszeit für überlieferte Werte blind ist.

Lebt man in Zentraleuropa, so täuscht man sich leicht darüber hinweg, dass nur ein kleiner Teil der Menschheit von den Sorgen bewegt wird, welche hier die Jugendlichen auf die Strasse treiben. Dem weit grössten Teil, der, wenn nicht an Hunger, so doch unter wirtschaftlichem Mangel leidet, muss eine Gesellschaft, welche die “augenblicklichen Bedürfnisse” befriedigt, als lochendes Paradies erscheinen.

Es ist wenig wahrscheinlich, dass die unterentwickelten Völker zur Behebung der materiellen Notlage einen anderen Weg gehen werden als den unseren.

Erst dann, wenn die elementaren materiellen Bedürfnisse befriedigt sind, beginnt die Auseinandersetzung, von der uns die Jugendrevolten unserer Tage einen Vorgeschmack geben.

Handelt es sich um einen auswegsloses Sichaufbäumen gegen ein Schicksal oder ist es möglich, dieses abzuwenden? Darauf soll nur allgemein und abstrakt geantwortet werden. Die Entwicklung der Technik rückgängig zu machen ist nicht nur unmöglich, sondern wäre auch nicht wünschenswert. Ein solcher Rückschritt würde wieder zu Hunger und krasser sozialer Ungleichheit führen, wie sie in den unter- und halbentwickelten Ländern bestehen. Notwendig ist aber, das Verhältnis zwischen Mensch und Technik umzukehren, d.h. zu erreichen, dass nicht mehr Technik den Menschen, sondern der Mensch die Technik dirigiert. Eine einseitige Ausbildung des praktischen und wissenschaftlichen Sachverstandes hat den Menschen in diese Abhängigkeit geführt. Die Geister, die er rief, wurde er nicht mehr los. Überwinden kann er diese Einseitigkeit nur durch Entfaltung seiner Gesamtpersönlichkeit, von der der praktische und wissenschaftliche Sachverstand nur ein untergeordneter Teil sein darf.

Nur damit kann er sich zur Schaffung einer Umwelt befähigen, in der die Technik wirklich nur ein dienendes Glied sein wird. Nur die schöpferische Persönlichkeit kann der Entpersönlichung wirksam entgegentreten.

Nur kulturelle Neuschöpfung kann einen geistlosen Kulturbetrieb überwinden.

Die Schwäche der Jugendrevolte besteht darin, dass deren Träger selbst Produkte der Versorgungsgesellschaft sind, gegen die sie revoltieren. Zu geistiger Passivität erzogen, beschränken sie sich darauf, Forderungen an eine Gesellschaft zu stellen, die diese auch bei gutem Willen nicht erfüllen könnte.

Krawall ist eine wahrscheinliche unvermeidbare Begleiterscheinung jeder Veränderung. Aber allein führt er zu nichts. Die Forderungen der rebellischen Jugendlichen sind ausnahmslos berechtigt. Doch geht es hier um Dinge, die von niemandem gefordert, sondern nur aus eigener Produktivität erlangt werden können. Wenn das Wort “Autonomie” nicht als leeres Schlagwort verwendet wird, so kann es nur dies meinen.

Posted in Akratie (Zeitschrift), Heiner Koechlin.


Die Akratie (griechisch von α- (Negationsvorsilbe) und κρατία, kratía – Macht, Herrschaft, Kraft, Stärke)

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